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Stolz
BDSM-Roman
Chris Drescher
Kapitel Eins
 
Ich begleite Carina heute zu ihrem Blind Date. Mal wieder eine ihrer viel zu riskanten und vor
allen Dingen extremen Nummern. Sie ist Masochistin und sucht nach einem neuen dominanten
Mann. Ich verstehe nicht, wie sie ein solches Risiko eingehen kann. Sie hat sich dieses Mal als
Sub für einen Mann beworben, der vollkommen anonym bleiben will. Das bringt sie meiner
Meinung nach in noch größere Gefahr. Er hat darauf bestanden, dass Carina mit niemandem über
das Treffen spricht, aber zum Glück war sie wenigstens vernünftig genug, sich nicht daran zu
halten. Ich sitze seit einer Viertelstunde an einem Tisch etwas abseits und beobachte die
Menschen, die sich in dem Restaurant aufhalten.
„Darf es etwas sein?“
„Ja, gerne. Bitte ein Glas Sprudel mit Zitrone“.
„Kommt sofort. Darf es auch etwas zu essen sein?“
„Der Garnelensalat klingt lecker. Den hätte ich gerne, aber kann ich bitte gleich bezahlen? Es
kann sein, dass ich schnell wegmuss“.
Der Kellner zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen, geht aber dann zur Bar. Ein
großgewachsener, dunkelhaariger Kerl kommt herein. Er sieht gut aus. Er trägt einen teuer
wirkenden Anzug und zieht nicht nur meinen Blick auf sich.
„Herr Dr. Heinrich. Schön, dass Sie uns mal wieder beehren. Darf ich Ihnen Ihren üblichen
Tisch anbieten?“
„Sehr gerne, Herr Ludwig“.
Der Kellner bringt ihn an einen Tisch. Der Blick des Mannes wandert durchs Lokal.
„Ich treffe mich hier gleich mit einer jungen Dame. Ich warte mit der Bestellung auf sie“.
Oh. Er ist es wahrscheinlich. Carina macht, was das äußere anbelangt eine gute Partie. Der
Kerl strahlt eine Überlegenheit aus, die den ganzen Raum einnimmt. Unsere Blicke treffen sich
und ich sehe schnell zur Seite. Er hat sicherlich bemerkt, dass ich ihn beobachte. Ich sehe noch
einmal zu ihm. Er lächelt, als sich unsere Blicke wieder treffen. Ich erröte und wende mich
schnell wieder ab.
Der Kellner kommt mit meinem Getränk, meinem Salat und der Rechnung. Ich zahle sofort.
Carina betritt das Restaurant. Sie sieht umwerfend aus. Dieser Dr. Heinrich steht auf und begrüßt
sie mit einem Kuss auf die Wange. Er rückt ihr den Stuhl zurecht und ruft den Kellner, als er
selbst wieder Platz genommen hat. Er bestellt für beide, ohne Carina zu fragen, was sie möchte.
Er redet die meiste Zeit und holt dann einen Stapel Unterlagen aus seiner Aktentasche. Er legt sie
ihr vor und sie fangen an zu diskutieren, während sie essen.
Ich beobachte die beiden unentwegt. Seine Ausstrahlung hat mich voll in ihren Bann gezogen.
Wiederholt fällt sein Blick in meine Richtung. Ich sollte wirklich aufhören ihn so anzustarren. Er
legt den Kopf schräg und fragt Carina etwas. Sie dreht sich in meine Richtung um, schüttelt den
Kopf und sagt irgendetwas. Dr. Heinrich ruft den Kellner und bezahlt. Beide stehen auf. Carina
nimmt den Stapel Unterlagen und verabschiedet sich mit einem Kuss auf die Wange. Im
Anschluss verlässt sie sofort das Lokal.
Er setzt sich wieder. Erneut beobachtet er mich. Ich spüre seinen starren Blick auf mir. Mein
Herz schlägt wild in meiner Brust. Ich bemerke, wie er aufsteht und in meine Richtung kommt.
Schnell trinke ich mein Glas aus und springe auf. Zügig laufe ich zur Tür und biege nach rechts
ab in Richtung unserer Wohnung. Auf den ersten Metern habe ich das Gefühl verfolgt zu
werden, aber als ich mich irgendwann umdrehe, ist da niemand. Erleichtert hole ich den
Schlüssel aus meiner Tasche und schließe auf. Ich gehe in den dritten Stock in unsere Wohnung.
„Carina? Bist du hier?“
„Nein. Du findest mich auf Wolke Sieben“.
„Er ist heiß“.
„Oh ja. Und ich habe ihn angelogen. Wenn er das irgendwann erfährt, dann habe ich
wahrscheinlich ein übles Spanking zu erwarten. Der Vertrag sieht gut aus. Ich werde ihn
unterschreiben. Ich ergänze nur noch um meine Grenzen“.
Ich finde sie in unserem Wohnzimmer. Sie sitzt auf dem Sofa und liest in den Unterlagen.
„Wer ist der Kerl?“
„Darüber darf ich auf keinen Fall mit dir sprechen. Es reicht schon, dass du ihn gesehen hast.
Mehr erfährst du nicht. Meine Lippen sind versiegelt“.
Ich werde ihr nicht sagen, dass ich gehört habe, dass er Dr. Heinrich heißt. Ich werde vielleicht
selbst ein wenig recherchieren.
„Bitte sag mir wenigstens, wann und wo du dich mit ihm triffst“.
„Okay. Werde ich tun. Er trifft sich immer in einem Hotel in der Stadt mit seinen Subs. Ich
denke, wir werden uns am Freitag das erste Mal sehen“.
„Du hältst mich auf dem Laufenden, ja?“
„Mache ich“.
Ich gehe in mein Zimmer und betrachte mein Spiegelbild. Ich bin ein Mauerblümchen, wenn
ich mir Carina so ansehe. Ich trage nur hochgeschlossene - andere würden eher sagen - biedere
Kleidung. So wurde es mir von meinen Eltern beigebracht. Sie sind sehr streng. Wenn Sie
wüssten, dass ich Carina in ihren sexuellen Exzessen zu einem gewissen Grad unterstütze, dann
würden sie mir wahrscheinlich den Kopf abreißen. Vor allem meine Mutter.
„Maja?“
„Was gibt´s?“
„Kannst du mir noch einmal eine deiner Blusen leihen? Ich habe morgen ein
Vorstellungsgespräch“.
„Klar. Bediene dich an meinem Schrank. Du weißt, wo alles ist“.
„Danke. Und du weißt, dass das gleiche für dich gilt. Nimm dir doch mal was Schickes von
mir und geh aus. Ich komme auch mit, wenn du möchtest“.
„Carina, lass es endlich gut sein“.
Ich habe heute Nachtschicht im Krankenhaus. Ich bin Assistenzärztin der Chirurgie. Ich
nehme mir meine Handtasche und mache mich auf den Weg. In dieser Nacht haben wir einige
Notfälle. Ein schwerer Verkehrsunfall geht mir besonders an die Substanz, weil ein junges
Mädchen beteiligt war. Es ist momentan stabil, aber um ihren Vater steht es nicht sonderlich gut.
Ich bin hundemüde, als ich in den frühen Morgenstunden das Krankenhaus verlasse. Zu Hause
falle ich in mein Bett und schlafe sofort ein.
Am Nachmittag werde ich wach. Ich werde mich so schnell nicht an diese Nachtschichten
gewöhnen. Sie zermürben mich, dabei mache ich das erst seit drei Jahren und ich werde es
wahrscheinlich bis zum Renteneintritt so weitermachen. Sich als Chirurg niederzulassen, dazu
fehlt mir das nötige Startkapital. Ich unterstütze meine Eltern finanziell jeden Monat. Sie haben
mir das Studium ermöglicht und jetzt möchte ich es ihnen zurückzahlen. Ich gehe duschen.
Carina ist nicht da. Wahrscheinlich hat sie ihr Bewerbungsgespräch. Sie ist Bürokauffrau.
Vermutlich die einzige, die keine Blusen besitzt. Ich muss zugeben, dass sie auch einfach wie
verkleidet in solchen Businessklamotten aussieht.
„Ich habe den Job“.
Ich strecke meinen Kopf in den Flur und Carina steht strahlend vor mir.
„Super. Ich gratuliere“.
„Ich soll schon nächste Woche anfangen“.
„Ich freue mich für dich“.
„Süße, ich brauche mein erstes Gehalt, um mir Klamotten zu kaufen. Ich bediene mich so
lange bei dir“.
Ich grinse. Genau wegen solcher Dinge führen wir eine so unglaubliche Freundschaft. Alles ist
selbstverständlich. Wir sind einfach in jeder Situation bedingungslos füreinander da.
„Ach so. Ich treffe mich mit ihm morgen Abend um 20 Uhr im Hotel Jakobsen“.
„Du schreibst mir, wenn du ankommst und wenn du wieder gehst“.
„Ja. Wie immer, Mama“.
„Du weißt, dass ich mir Sorgen mache“.
„Ja. Aber ich habe mit dir doch die perfekte Fachkraft zu Hause, wenn doch mal etwas
schiefgeht“.
Ich schüttle den Kopf.
„Carina, ich gehe noch schnell eine Kleinigkeit essen, bevor ich meine Schicht antrete.
Kommst du mit?“
„Nein. Danke. Ich bin nachher mit Laura verabredet“.
„Viel Spaß“.
Ich mache mich auf den Weg zu dem Restaurant, in dem ich gestern den leckeren
Garnelensalat gegessen habe. Ich setze mich an einen Tisch und bestelle mir einen Teller Pasta.
Es schmeckt vorzüglich. Als ich gerade gehen will, fällt mir auf, dass dieser Dr. Heinrich an dem
gleichen Tisch sitzt wie beim letzten Mal. Wieder sitzt eine sehr attraktive Frau bei ihm. Wieder
liegen Papiere zwischen den beiden. Ich schüttle verärgert den Kopf und rufe gleich Carina an.
„Süße, dieser Typ trifft sich noch mit anderen“.
„Klar. Und jetzt?“
„Das weißt du?“
„Natürlich. Er spielt mit offenenKarten“.
„Ich hoffe, ihr benutzt Kondome“.
„Ja, Frau Doktor“.
„Ich werde das nie begreifen“.
„Musst du auch nicht, aber den Stock bekommen wir noch aus deinem Hintern“.
„Tschüss“.
Ich lege auf und will gerade in Richtung Klinik loslaufen, als jemand mir auf die Schulter
tippt.
„Hi. Sagen Sie, verfolgen Sie mich?“
Der Kerl steht vor mir. Dr. Heinrich.
„Was? Wie kommen Sie denn auf so etwas? Bitte lassen Sie mich in Ruhe“.
„Habe ich Ihre Bewerbung abgelehnt?“
„Wie bitte? Als was sollte ich mich denn bitteschön bewerben?“
Ich weiß natürlich genau, worauf er anspielt, aber das darf er schließlich nicht wissen.
„Entschuldigung. Dann habe ich mich wohl getäuscht. Darf ich Sie zu einem Getränk
einladen?“
„Saßen Sie da drüben gerade nicht mit einer Frau?“
„Sie haben mich also doch beobachtet“.
„Nein. Ich habe nur ein bisschen herumgeschaut, aber ich muss jetzt zur Arbeit“.
Ich drehe mich um und will gehen, aber er ruft mir hinterher. 
„Moment, Sie haben mir meine Frage nicht beantwortet“.
Ich drehe mich irritiert um und schüttle den Kopf.
„Was wollen Sie denn noch?“
„Etwas mit Ihnen trinken. Ich gebe Ihnen meine Nummer und Sie rufen mich an“.
„Ich habe kein Interesse“.
„Das war keine Frage“.
Er drückt mir eine Visitenkarte in die Hand. In weißer Schrift stehen auf schwarzem
Untergrund sein Name Dr. J. Heinrich und eine Handynummer. Um möglichst schnell aus der
Sache herauszukommen, stecke ich die Karte ein und gehe. Bei dem Lächeln, das sich auf
seinem Gesicht ausbreitet, bereue ich es allerdings schon wieder. Ich erkundige mich im
Krankenhaus als erstes nach den Unfallopfern der gestrigen Nacht. Der Vater liegt im
künstlichen Koma. Das Mädchen ist wach und ihre Mutter ist bei ihr.
„Guten Abend. Ich wollte nachfragen, wie es Clara geht“.
„Sie ist nicht gut drauf. Sie macht sich Vorwürfe, weil sie denkt, sie hat den Unfall
verursacht“.
„Clara, mach dir bitte keine Vorwürfe. Du bist nicht schuld. Der andere Fahrer hat deinem
Vater die Vorfahrt genommen. Wie geht es deinem Bein und deiner Schulter?“
„Sind Sie die Ärztin, die meine Kleine operiert hat?“
Ich nicke.
„Tausend Dank. Können Sie mir vielleicht etwas über den Zustand meines Mannes sagen?“
„Nein. Tut mir leid. Meine Schicht fängt jetzt erst gleich an. Aber ich kann mich für Sie
erkundigen“.
„Danke, Frau Dr. … Wie heißen Sie eigentlich?“
„Hörting“.
„Danke. Frau Dr. Hörting. Das wäre sehr nett“.
Ich nicke ihr zu und gehe zur Übergabe. Ich bitte meinen zuständigen Kollegen noch kurz
darum, bei der Mutter vorbeizuschauen, weil ich selbst sofort in die Notaufnahme muss. Es gab
einen großen Auffahrunfall und ich muss einige Platzwunden nähen und Knochenbrüche
diagnostizieren. Es wird erst gegen 24 Uhr ruhiger.
„Maja? Da ist eine Carina, die nach dir fragt“.
„Carina? Geht es ihr gut?“
„Sieht nicht so aus“.
„Kannst du mir etwas Näheres sagen, Konstanze?“
„Nein. Sie lässt nichts raus. Untersuchungsraum vier“.
„Danke“.
Ich gehe schnell zu ihr. Mir schwant Übles. Sie hat sich schließlich gerade mit diesem Typen
getroffen. Als ich in das Zimmer trete, erstarre ich. Vor mir steht dieser Dr. Heinrich, der mich
verwundert mustert.
„Hallo. Mein Name ist Dr. Hörting. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Maja. Scheiße. Ich habe Mist gebaut“.
„Ihr kennt euch doch? Du kennst meine Regeln, Carina. Noch ein Verstoß“.
„Tut mir leid, Herr“.
„Maja, was ist passiert?“
„Wir waren mitten in einer Session. Ich habe meinem Herrn verheimlicht, dass ich eine
Schwachstelle an der Schulter habe“.
Dr. Heinrich nimmt sein Sakko von Carinas Schultern. Ihre Schulter ist ausgekugelt. Das ist
sicher wahnsinnig schmerzhaft. 
„Oh scheiße. Ich rufe einen Kollegen“.
„Nein. Mein Rücken sieht heftig aus. Ich will nicht, dass das jemand sieht“.
„Carina, du hättest es in dem Fragebogen eintragen müssen. Ich hätte dich nie auf diese Art
fixiert“.
„Okay. Aber wenn es beim ersten Versuch nicht klappt, rufe ich einen Kollegen. Sie müssen
mir eventuell helfen. Leg dich auf den Rücken“.
Sie legt sich hin. Ich stelle mich vor sie und lege meinen Fuß in ihre Achselhöhle. Dann ziehe
ich dosiert am Arm. Dr. Heinrich steht auf ihrer anderen Seite. Carina beißt die Zähne zusammen
und dann tut es einen Ruck und die Schulter ist wieder in der Gelenkpfanne.
„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du aufpassen musst, Carina? Du bist so verantwortungslos.
Jetzt fällst du jedenfalls eine Weile aus. Eine Woche völlige Ruhigstellung und danach
Physiotherapie. Ich hoffe, dass dir das eine Lehre ist“.
„Ich bringe dich jetzt nach Hause“.
„Danke“.
„Moment. Ich will zuerst noch deinen Rücken sehen“.
„Das ist nicht notwendig, Maja“.
„Du bist hergekommen, um dich von mir behandeln zu lassen, jetzt entscheide ich“.
Sie setzt sich auf und ich ziehe ihr enges Kleid nach unten. Sie zieht scharf die Luft ein. Ihr
Rücken ist von geschwollenen Striemen übersät. Ich schließe meine Augen.
„Du wirst den Rücken kühlen. Ich besorge dir nach meiner Schicht eine Creme in der
Apotheke und du wirst dich schonen. Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie jetzt wenigstens
für den Scheiß geradestehen?“
„Natürlich. Ich kümmere mich um meine Subs“.
„Wie viele haben Sie denn?“
„Das beantworte ich Ihnen nur, wenn Sie mit mir etwas trinken gehen, Maja“.
„Dann eben nicht. Carina, schieß ihn in den Wind“.
Ich verlasse das Zimmer und gehe zum nächsten Patienten, dem Opfer einer
Kneipenschlägerei mit widerlicher Alkoholfahne und einer tiefen Schnittverletzung durch eine
Bierflasche an der Hand. Ich nähe die Schnittwunde. Der Kerl ist ein ziemlicher Jammerlappen.
Schon beim Einspritzen wimmert er wie ein kleines Kind. Das wird eine lange Nacht.
Als ich am Morgen das Krankenhaus verlasse, peile ich eine Apotheke an. Ich besorge eine
Salbe für meine beste Freundin und ein Muskelrelaxans. Als ich die Wohnung betrete, treffe ich
zu meinem Entsetzen auf Dr. Heinrich. Er sitzt in der Küche am Tisch und trinkt Kaffee.
„Was machen Sie denn hier?“
„Ich wollte Carina nicht allein lassen. Aber jetzt sind Sie ja hier. Wie war die Schicht?“
„Hart und blutig“.
„Ich kann kein Blut sehen“.
„In welchem Bereich haben Sie promoviert?“
„Ich bin Psychologe“.
„Mit eigener Praxis?“
„Ja. Stimmt“.
„Das bestätigt mal wieder das Vorurteil, das alle Psychologen selbst einen Knacks haben. Sie
sind also Sadist?“
„Ja und wahrscheinlich haben Sie recht und ich habe deswegen Psychologie studiert. Grüßen
Sie Carina und sagen Sie ihr bitte, dass wir noch lange nicht quitt sind wegen ihrer Verstöße“.
„Das werde ich nicht. Schönen Tag“.
„Schlafen Sie gut, Maja“.
Er steht auf und geht. Die Art, wie er spricht, ist arrogant, aber sie zieht mich in ihren Bann.
Ich bin froh, als die Tür ins Schloss fällt. Ich lege Carina die Medikamente auf den Tisch und
schreibe ihr einen Zettel, wie sie sie einnehmen soll. Dann gehe ich schlafen.
Kapitel Zwei
Geschirr klappert lautstark. Ich stehe auf und strecke mich. Ich gehe in die Küche zu Carina.
„Was machst du denn da? Warum überlässt du das nicht mir?“
„Du hast genug getan. Entschuldige, dass ich dich gestern so überfallen habe“.
„Warum hast du nicht einfach so getan, als würdest du mich nicht kennen?“
„Weil du mich sonst an einen Kollegen verwiesen hättest“.
„Stimmt. Du wirst dafür mächtig Ärger bekommen, oder?“
„Ich sage dir, der Kerl weiß, was er tut. Dr. Heinrich ist der Wahnsinn. Ich hatte noch nie
einen Top, der so mit einer Peitsche umgehen und einen nur durch wenige gezielte Schläge in
eine solche Ekstase versetzen kann“.
„Ich will davon nichts wissen“.
„Er hat mich gefragt, warum du dich so hinter deiner kleinen grauen Maus Fassade
versteckst“.
„Ihr habt über mich gesprochen?“
„Ja. Er findet dich wohl spannend, aber ich habe ihm schon gesagt, dass selbst wenn du auf
BDSM stehen würdest, du dich wegen mir nie auf ihn einließest“.
Ich nicke und verdränge Carina endgültig vom Spülbecken. Ich mache den Abwasch und
schaue mir danach noch einmal Carinas Schulter an. Am frühen Abend klingelt es an der Tür.
Ich öffne. Es steht ein Bote mit Blumen vor der Tür. Er überreicht sie mir mit einer Karte. Wie
zu erwartenwar, sind sie für Carina. Ich gebe sie ihr. Sie liest mir die Karte vor.
„Liebe Carina, du bist hart im Nehmen. Vielleicht kann ich dir deine Verstöße doch verzeihen.
Gute Besserung. Dein Herr“.
Carina strahlt.
„Er gibt mir noch eine Chance. Ich bin so erleichtert“.
„Carina, du machst dich doch völlig kaputt. Wie kannst du dich freiwillig so verunstalten
lassen?“
„Du hast noch nie dieses Verlangen gespürt, das nur durch dieses perfekte Maß an Schmerz
ausgelöst werden kann, also maße dir bitte kein Urteil an“.
„Ich habe den Mund gehalten, aber das mit deiner Schulter geht zu weit. Das ist
unverantwortlich“.
„Ja, aber das war mein Fehler. Er hat in seinem Formular Vorschädigungen, Allergien und
alles Mögliche andere abgefragt und ich habe es nicht vollständig ausgefüllt. Das passiert mir
nicht noch einmal“.
Ich koche noch etwas fürs Abendessen und wir lassen es uns zusammen schmecken. Dann
mache ich mich wieder auf den Weg zur Klinik. Eine harte und lange Schicht wartet auf mich.
Als ich das Krankenhaus gut zwölf Stunden später wieder verlasse, habe ich Rückenschmerzen.
Ich stand gerade sechs Stunden im OP. Ein akuter Darmverschluss mit massiven
Komplikationen. In unserer Wohnung falle ich ins Bett. Carina schläft noch. Ich muss am
Nachmittag fit sein. Ich treffe mich mit meinen Eltern zum Kaffee.
Mein Wecker klingelt. Moment. Nein. Das ist nicht mein Wecker. Es ist die Türklingel. Ich
schaue auf die Uhr. Verflucht. Ich habe verschlafen. Carina öffnet die Haustür. Ich höre meine
Mutter. Sie beschwert sich, dass ich nicht an mein Handy gehe und sie jetzt schon seit einer
Stunde warten. Ich hole mein Handy hervor. Der Akku ist leer. Ich habe vergessen, es zu laden.
Ich springe aus dem Bett und ziehe mich schnell an.
„Mama, Papa. Es tut mir so leid. Mein Wecker hat nicht funktioniert. Ich hatte eine heftige
Schicht“.
„Du arbeitest zu viel, Maja“.
„Ich bin Assistenzärztin. Das ist normal“.
Ich gebe meinem besorgten Vater einen Kuss auf die Wange. Dann wende ich mich meiner
Mutter zu.
„Das ist respektlos. So habe ich dich nicht erzogen“.
„Entschuldige, Mama“.
„Du hast so doch gar keine Zeit, mal einen Mann kennenzulernen. Deine biologische Uhr
tickt, Maja. Du bist bald 27“.
„Mama, vor meiner Facharztprüfung habe ich sowieso keine Zeit für ein Privatleben“.
„Oh Maja. Jetzt kämm dich ordentlich und dann gehen wir eben Abendessen“.
Ich gehe ins Badezimmer und dann machen wir uns auf den Weg. Wieder gehen wir in das
gleiche Restaurant. Wir setzen uns an einen schönen Tisch. Der Kellner bringt uns die Karte.
„Und? Heute wieder sofort die Rechnung?“
„Wie bitte? Junger Mann, wie kommen Sie denn auf eine solche Idee?“
„Ach vergiss es, Mama“.
Wir bestellen alle und als unser Essen kommt, scheint sogar meine Mutter mir meine
Verspätung verziehen zu haben.
„Hallo Maja. Wie geht´s dir? Du siehst müde aus. Hast du noch Nachtschicht?“
„Hallo Herr Dr. Heinrich. Seit wann sind wir beim Du?“
Er geht gar nicht auf meine Frage ein.
„Wie geht´s Carina?“
„Besser. Sie hat sich sehr über die Blumen gefreut“.
„Willst du uns den jungen Mann nicht vorstellen?“
„Ähm. Herr Dr. Heinrich ist Carinas ähm Freund?“
„Guten Tag. Sie sind eindeutig Majas Eltern“.
„Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?“
„Er hat sicher keine Zeit“.
„Oh doch. Ich habe Zeit. Vielen Dank für die Einladung“.
Er zieht sich einen Stuhl nach hinten und setzt sich. Meine Eltern sind sofort begeistert von
ihm und quetschen ihn aus. Ohne mit der Wimper zu zucken beantwortet er alle Fragen, die
jedoch ohnehin nicht zu tiefgehend sind. Ich sehe auf meine Uhr und fluche.
„Oh nein. Ich muss los. Meine Schicht fängt in zehn Minuten an“.
„Das schaffst du nie. Ich fahre dich“
„Das ist aber nett von Ihnen, Herr Dr. Heinrich“.
Meine Mutter überschlägt sich bald. Sie umarmt mich zum Abschied und zischt mir ins Ohr.
„Warum kannst du dir keinen solchen Mann an Land ziehen?“
Ich schüttle verärgert den Kopf und verabschiede mich von meinem Vater. Schnell gehe ich zu
dem Kellner.
„Darf ich bitte zahlen?“
„Ihre Rechnung wurde bereits beglichen“.
„Von wem?“
„Herrn Dr. Heinrich“.
„Oh. Okay. Danke. Schönen Abend noch“.
Ich wende mich an den Psychologen.
„Danke fürs Essen“.
„Sehr gerne. Danke für deine Gesellschaft, aber eigentlich wollte ich lieber allein etwas mit dir
trinken“.
„Ach, Sie denken, Sie hätten Ihren Wunsch erfüllt bekommen?“
„Habe ich doch“.
„Alles klar. Dann raus damit. Wie viele Subs haben Sie?“
„Derzeit?“
„Ja“.
„Drei. Sie wissen aber alle voneinander. Ich hatte eigentlich eine Session mit allen dreien
geplant, aber das wird wohl jetzt erst einmal warten müssen, außer jemand springt für Carina ein.
Wie wär´s? Lust?“
„Wer ich? Definitiv nein“.
„Wie lange hast du noch Nachtschicht?“
Gut, er lenkt vom Thema ab.
„Nur noch heute. Dann habe ich drei Tage frei und dann starte ich mit Frühschicht“.
„Okay. Wann ist deine Schicht zu Ende?“
„Unterschiedlich. Offiziell um 7 Uhr, aber oft komme ich erst um 10 raus“.
„Aha. Das ist heftig, oder?“
„Man gewöhnt sich dran“.
„Das war gerade eine glatte Lüge. Das sehe ich in deinen Augen, Maja. Ich mag es gar nicht,
wenn man mich anlügt“.
„Sind Sie bei Ihren Patienten auch so direkt?“
„Nein. Ich möchte schließlich ihr Vertrauen“.
„Ach und meines wollen Sie nicht? Dann wären wir ja einen Schritt weiter“.
„Ja. Bei dir gehe ich tatsächlich einen Schritt weiter. Ich will nicht nur dein Vertrauen, ich will
deine Unterwerfung“.
Ich bin schockiert über seine direkte Art.
„Hören Sie auf. Ich habe keinerlei Interesse an solchen Aktivitäten“.
„Kein Sex vor der Ehe oder wie darf ich das verstehen?“
„Das geht Sie einen feuchten Kehricht an. Ich gehe jetzt“.
Ich schnalle mich ab und er steigt aus, um mit schnellen Schritten um das Auto herumzueilen
und dann sehr enttäuscht dazustehen, weil ich die Tür des Wagens selbst geöffnet habe.
„Danke fürs Bringen. Gute Nacht“.
„Ich wünsche dir eine ruhige Schicht, Maja“.
Ich kommentiere es nicht weiter und gehe in die Klinik. Am Eingang treffe ich auf meinen
Kollegen Mike aus der Inneren. Er umarmt mich gut gelaunt.
„Hey Maja. Lange nicht gesehen. Wie läuft es in der Chirurgie?“
„Super. Ich habe mich definitiv fürs Richtige entschieden“.
„Ich hadere gerade mit mir, ob ich nicht doch in die Onko wechseln soll“.
„Das kann ich mir bei dir sehr gut vorstellen. So feinfühlige Menschen wie dich braucht es in
solchen Fachrichtungen“.
„Danke. Ich denke, ich werde den Wechsel mal mit Prof. Dr. Mönchsfeld durchsprechen“.
„Mach das. Bislang hättest du keine Zeit verloren. Ich drück die Daumen, dass alles klappt“.
Zusammen schlendern wir hinein und ich erkundige mich nach dem jungen Unfallopfer. Sie
wurde heute entlassen. Ihr Vater ist aus dem Koma erwacht. Er wird sich wahrscheinlich nach
längerem Rehaaufenthalt wieder einigermaßen erholen. Eine ruhige Schicht in der Notaufnahme
erwartet mich, obwohl ich mir ein weiteres Mal einen Rüffel von meinem launischen Chefarzt
abholen durfte. Warum genau weiß ich mal wieder nicht, aber das belastet mich mittlerweile
nicht mehr. Um 7:30 Uhr verlasse ich das Krankenhaus gähnend. Ich beschließe zu laufen, weil
ich in der Bahn Gefahr laufe, sofort einzuschlafen und meine Haltestelle zu verpassen. Das wäre
nicht das erste Mal.
„Maja?“
Ich drehe mich um. Vor mir steht Dr. Heinrich.
„Was wollen Sie denn schon wieder?“
„Dich zum Frühstücken einladen und nach Hause bringen“.
„Nein, danke. Ich laufe“.
„Dann begleite ich dich“.
„Kann ich Sie davon abbringen?“
„Nein“.
„Gut, dann sag mir, wofür das J in deinem Namen steht“.
„Ich lasse mich nicht duzen“.
„Du duzt mich, ich duze dich“.
„Wenn du mit mir frühstückst, verrate ich es dir“.
„Ich lasse mich nicht erpressen“.
„Du bist eine ganz schön harte Nuss“.
„Die du nie knacken wirst“.
„Wir werden sehen“.
Als wir endlich bei der WG angekommen sind, hole ich meinen Wohnungsschlüssel aus der
Tasche und schließe auf.
„Julian, aber verrate es Carina nicht“.
„Wieso sollte ich nicht?“
„Weil ich dich darum bitte. Das verändert das Machtgefälle. Ich möchte von meinen Subs mit
Respekt behandelt werden“.
„Oh mein Gott. Wennsie mich nicht danach fragt, werde ich es ihr nicht sagen“.
„Gut. Das klingt nach einem Deal. Schlaf schön, Maja“.
Er grinst überlegen über beide Backen.
„Du siehst aus, als würdest du einen Triumph feiern“.
„Ich durfte dich heimbegleiten“.
Ich lache kopfschüttelnd auf und drücke dann die Wohnungstüre ins Schloss. Ich betrete mein
Zimmer. Carina sitzt in Bergen von Klamotten vor meinem Kleiderschrank.
„Nichts passt mit diesem blöden Rumpfarmverband“.
„Danke für das Chaos“.
„Ich räume es heute Abend auf. Versprochen. Aber bitte hilf mir“.
„Ich bin müde“.
„Ich muss in fünf Minuten weg sein“.
Ich seufze, stelle mich an den Schrank und reiche ihr eine Bluse. Sie mustert sie mit
gerümpfter Nase.
„Die ist schrecklich altbacken“.
„Stell dich nicht an und schlüpf hinein“.
Ich helfe ihr und knöpfe die Bluse für sie zu. Dann schmeiße ich sie aus meinem Zimmer und
wünsche ihr Glück für den ersten Arbeitstag. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und schlafe ein.
Sechs Stunden später reißt mich der Wecker aus dem Schlaf. Ich sehe mich in meinem
Zimmer um. Graue Maus hat mich Julian genannt. Vielleicht sollte ich doch einmal etwas
anderes probieren. Ich gehe in Carinas Zimmer und suche mir das kürzeste, meiner Meinung
nach nuttigste Outfit heraus, das ich finden kann und schlüpfe hinein. Dann gehe ich ins
Badezimmer und bediene mich an ihrem Make-Up. Ich lege roten Lippenstift und
Wimperntusche auf. Das Blau meiner Augen kommt durch den dunklen Lidstrich besonders gut
zur Geltung. Es klingelt. Ich werfe einen Blick in den Spiegel. Verdammt. Ich kann doch so nicht
die Tür aufmachen, aber wahrscheinlich ist es der Paketbote, also drücke ich auf den Summer.
Ich öffne die Wohnungstür. Nach oben kommt aber nicht der Paketbote, sondern Julian.
„Und ich habe dich graue Maus genannt. Wow. Gehst du aus?“
Sofort schnappe ich eine Strickjacke und hülle mich hinein. Warum bin ich nicht davor auf
diese Idee gekommen? Er grinst breit.
„Das Make-Up steht dir. Es betont wundervoll deine Augen. Das Kleid fände ich für mein
Schlafzimmer optimal, aber nicht für die Öffentlichkeit“.
„Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt“.
Ich werde gerade trotzig. Ich schnappe mir ein Paar High-Heels von Carina, in denen ich
tatsächlich erstaunlich gut laufen kann, ziehe die Strickjacke aus und greife mir meine
Handtasche.
„Gibt es etwas Bestimmtes? Ich wollte gerade gehen“.
„Ich wollte mich nach Carina erkundigen. Sie geht nicht ans Telefon. Da habe ich mir Sorgen
gemacht“.
„Sie hat seit heute einen Job“.
„Und hat sich nicht krankschreiben lassen?“
„Nein“.
„Darf ich bitten? Ich möchte jetzt gehen“.
„Du forderst mich zum Tanzen auf? Klar. Können wir machen“.
„Wie bitte? So habe ich das nicht gemeint und das weißt du“.
„Ich habe es jedenfalls so verstanden“.
Er folgt mir aus der Wohnung und läuft mir tatsächlich hinterher. Ich fühle mich unwohl in
diesem Outfit, aber das will ich mir nicht anmerken lassen. Ich gehe in den einzigen Club, von
dem ich weiß, dass er heute offen hat. Er ist ganz um die Ecke. Ich war einmal mit Carina hier.
Ich gehe an die Bar und hole mir einen Wodka-Lemon. Julian bestellt sich ein Bier.
Ich ziehe den Drink schnell herunter und gehe dann auf die noch recht leere Tanzfläche. Die
Musik ist zum Glück genau meine Richtung. Ich muss mich überwinden, hier in der
Öffentlichkeit zu tanzen, aber ich habe keine Lust vor Julian wieder das Grauemausbrandmal zu
erhalten. Also springe ich über meinen Schatten.
Innerhalb von einem Track scharen sich vier Typen um mich und tanzen mich an. Das ist mir
noch nie passiert. Der Alkohol beginnt zu wirken und ich lasse mich etwas mehr gehen. Julian
beobachtet mich. Ein Typ kommt mir etwas zu nah. Seine Hand wandert auf meinen Hintern.
„Nimm die Pfoten weg“.
Der Typ reagiert nicht. Ich stoße ihn dezent von mir und jetzt wandert auch seine zweite Hand
auf meinen Po.
„Junge, nimm die Griffel weg. Sie hat nein gesagt“.
„Ich komme hier schon klar, Julian“.
Der Typ nimmt jedenfalls Abstand. Julian scheint mit seiner Statur auch auf andere Männer
Eindruck zu machen. Ich gehe zur Bar und hole mir einen weiteren Wodka Lemon. Auch diesen
schütte ich wieder herunter. Ein Kerl an der Bar ordert mir einen weiteren und ich nehme ihn
dankend an, weil Julian mich immer noch beobachtet. Nach diesem dritten Glas fällt mir das
Laufen sichtlich schwerer. Ich bin nicht viel Alkohol gewöhnt. Ich habe einen Schluckauf und
torkle zur Toilette. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist gerade einmal 23 Uhr und ich bin viel zu
betrunken. Ich werde direkt von der Toilette zum Ausgang gehen.
„Hey Babe, soll ich dich heimbringen? Du bist betrunken“.
„Zu freundlich, aber den Weg finde ich immer noch allein“.
Der Typ von der Bar will mich also begleiten. Eigentlich sollte ich ihn vielleicht mitnehmen.
Nur um Julian zu beweisen, dass ich keine graue Maus bin. Denn ich bin mir sicher, dass er mich
immer noch beobachtet.
Ich gehe aus dem Club und laufe in Richtung meiner Wohnung. Der Typ ist mir zum Glück
nicht gefolgt. Ich brauche sicher doppelt so lang nach Hause wie ich hingebraucht habe. Aber ich
torkle gefühlt auch die doppelte Strecke. Ich kichere. An der Haustür angekommen krame ich in
meiner Handtasche. Da ist kein Schlüssel. Verflucht. Den habe ich auf dem Küchentisch liegen
lassen.
Ich klingle, aber Carina scheint mich nicht zu hören. Ich rufe auf ihrem Handy an, aber es geht
direkt die Mailbox dran. Ich lehne mich gegen die Haustür und klingle noch einmal Sturm. Dann
schließe ich einfach meine Augen. Ich bin völlig platt. Mein Kopf lehnt an dem kühlen Glas der
Tür.
Kapitel Drei
 
Ich schrecke hoch. Verflucht. Wo bin ich? Ich sehe an mir herunter. Ich bin bis auf die
Unterhose nackt. Ich sehe mich um. Ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde. Es sieht aus
wie ein unpersönliches Wohnzimmer oder so. Ich ziehe mir die Wolldecke um den Körper und
suche das Zimmer nach meinen Kleidern ab. Sie sind nirgends zu sehen. Scheiße. Ein weiteres
Mal frage ich mich, wo ich bin. Was habe ich getan? Ich gehe Schritt für Schritt meinen Körper
durch, ob mir irgendetwas wehtut. Ich merke nicht viel außer einem dröhnenden Schädel. Es
klopft.
„Maja? Bist du wach? Meine erste Patientin kommt in einer halben Stunde“.
Oh Gott, ich bin bei Julian. Ich scanne meinen Körper nach irgendwelchen Striemen ab, aber
da ist nichts. Einen solchen Filmriss hat man definitiv nicht von Alkohol allein. Ich muss ins
Krankenhaus und meinen Urin untersuchen lassen.
„Wo sind meine Klamotten?“
„Die habe ich hier“.
Ich öffne fest in die Decke eingehüllt die Tür.
„Was ist passiert?“
„Ich habe dich vor eurer Haustür gefunden. Du warst völlig weggetreten. Du trinkst nicht oft,
oder?“
„Ich vermute eher GBL“.
„Was ist das?“
„K.O.-Tropfen. Du hast nicht zufällig einen Becher, in den ich kurz pinkeln kann?“
„Klar, warte“.
Er reicht mir einen Plastikbecher.
„Danke. Mit Schraubverschluss hast du nichts, oder?“
„Nein. Tut mir leid. Soll ich dir vielleicht lieber ein Hemd von mir bringen? Dass du dich in
diesen Klamotten nicht wohlfühlst, ist eindeutig“.
„Das wäre lieb. Ich will so nicht zu meinen Kollegen“.
„Klar. Ich sage kurz meinen ersten Termin ab und dann fahre ich dich. Wie lange kann man
die Tropfen nachweisen?“
„Im Urin bis zu zwölf Stunden, im Blut nur etwa sechs Stunden“.
„Okay. Meine Toilette ist da vorne rechts. Ich hole dir eine Jogginghose und ein Hemd“.
Er verschwindet und ich gehe schnell zur Toilette. Ich pinkle in den Becher und gehe dann
zurück in den Vorraum. Er hat mir Kleidung bereitgelegt. Ich ziehe alles schnell an.
„Kann ich reinkommen?“
„Ja“.
Er öffnet die Tür und sieht mich an.
„Ich habe dir eine kleine Plastikdose mitgebracht. Ginge das für deinen Urin?“
„Die ist danach aber Müll“.
„Das kann ich verkraften“.
Er reicht sie mir und ich fülle den Urin um und schmeiße den Becher weg.
„Und das hier ist also deine Praxis? Wo hast du geschlafen?“
In meiner Wohnung im ersten Stock. Ich habe meine Praxis in meinem Wohnhaus“.
„Ich dachte, du nimmst nie jemanden mit nach Hause?“
„Hat dir Carina das erzählt?“„Scheiße. Das hätte sie nicht dürfen und ich habe ihr jetzt zu einer Tracht Prügel verholfen“.
„Uh. Nenn das bitte nicht so. Aber ja, das wird ein Spanking geben. Verprügeln würde ich nie
eine Frau“.
„Ich sehe den Unterschied nicht“.
„Weil du das Thema noch nicht begriffen hast“.
„Und das bleibt auch so. Ich bringe dir die Klamotten wieder. Danke für alles. Ich fahre jetzt
in die Klinik“.
„Ich habe meinen ersten Termin abgesagt. Ich fahre dich. Wie geht es dir?“
„Ich habe Kopfschmerzen und mir ist ein wenig übel und schwindlig“.
„Ich werde dich nicht allein gehen lassen, Maja. Entschuldige, hätte ich an so etwas wie K.O.-
Tropfen gedacht, hätte ich dich ins Krankenhaus gebracht“.
„Wir kennen uns doch kaum. Danke, dass du dich meiner überhaupt angenommen hast“.
„Ist mit Carina alles in Ordnung? Sie hat nicht geöffnet“.
Ich hole mein Handy aus der Tasche und habe zehn Nachrichten von der besorgten Carina.
„Ja. Alles okay bei ihr. Ich rufe sie gleich an. Ich will dich nicht von deinen Terminen
abhalten, aber ich denke, es wäre tatsächlich besser, wenn du mich fährst, also danke“.
Wir gehen zum Auto. Sein Haus ist freistehend und sehr schön. Er hält mir die Autotür auf.
Ich steige ein und rufe Carina an.
„Hey du. Es geht mir gut. Ich denke, ich wurde gestern mit K.O.-Tropfen betäubt, aber ein
Bekannter hat mir geholfen. Ich fahre jetzt ins Krankenhaus und lasse mich durchchecken.
Danach gehe ich zur Polizei und erstatte Anzeige“.
„Weißt du, wer es war?“
„Ich habe nur eine Vermutung“.
„Okay. Und wer?“
„So ein Typ im Orange Club“.
„Du warst im Orange?“
„Ja. Ich musste mal raus“.
„Maja? Ist bei dir alles in Ordnung?“
„Ja. Wie war dein erster Arbeitstag?“
„Super. Ich habe nette Kollegen und ich denke, die Arbeit macht mir auch Spaß. Ich muss jetzt
auch weitermachen. Sehen wir uns heute Abend?“
„Klar. Mach´s gut“.
Wir sind schon fast am Krankenhaus. Mir wird gerade richtig schlecht.
„Mist. Fahr bitte rechts ran“.
Er bremst und springt aus dem Auto. Ich reiße die Tür auf und übergebe mich direkt auf den
Bordstein. Er ist sofort bei mir und hält meine Haare nach hinten.
„Entschuldige“.
„Wofür? Ist alles in Ordnung?“
„Ja. Jetzt wieder. Aber ich laufe lieber das restliche Stück“.
„Lass mich den Wagen kurz richtig parken, dann laufen wir gemeinsam“.
„Ich komme zurecht. Du musst doch zu deinen Patienten“.
„Du hattest vorhin recht. Wir kennen uns noch nicht richtig, Sonst würdest du nie auf die Idee
kommen, dass ich dich in einer solchen Situation allein ließe“.
Er steigt in den Wagen und parkt ihn ordnungsgemäß. Er bringt mir meine Handtasche mit
und wir gehen den Rest des Weges zu Fuß. Wir gehen direkt zur Notaufnahme durch. Ich wende
mich an der Anmeldung an die Schwester.
„Hallo Nicola. Ich vermute, dass ich gestern eine ordentliche Dosis GBL abbekommen habe.
Ich habe meinen Urin mitgebracht. Ist gerade jemand da, der mich schnell aufnehmen könnte? Es
ist jetzt wahrscheinlich zehn Stunden her“.
Ich hole die gekühlte Urinprobe hervor und übergebe sie der Schwester.
„Frau Dr. Hörting. Geht es Ihnen gut?“
„Relativ“.
„Kommen Sie durch. Raum drei ist frei“.
Ich wende mich Richtung Durchgang. Julian zögert.
„Soll ich hier warten?“
„Wenn du bleiben willst, dann kannst du mitkommen, aber ich bin hier in guten Händen, also
musst du nicht warten. Danke für alles“.
„Kannst du mir bitte deine Nummer geben? Ich möchte mich erkundigen können, wie es dir
geht“.
Das bin ich ihm jetzt wohl schuldig, also gebe ich ihm die Nummer. In dem Moment, in dem
er gerade gehen will, wird mir kurz schwarz vor Augen und ich taumle rückwärts. Sofort ist er
bei mir und nimmt mich auf den Arm. Er trägt mich mit offensichtlicher Leichtigkeit in den
Behandlungsraum. Er setzt mich auf der Liege ab.
„Jetzt bleibe ich“.
„Das war nur ein kurzer Aussetzer“.
„Maja, was machst du denn für Sachen?“
„Hi Mike. Ich vermute, dass mir gestern Abend in einem Club GBL verabreicht wurde.
Meinen Urin habe ich abgegeben. Ich habe Kopfschmerzen und mir ist schlecht und ein wenig
schwindlig“.
„Hast du die Polizei schon informiert? Ich nehme dich erst einmal auf, bis deine Symptome
verschwinden. Ich nehme an, du hast Alkohol getrunken?“
„Ja. Drei Wodka Lemon. Nach dem dritten bin ich nach Hause und ab der Haustür weiß ich
nichts mehr. Julian hat mich zum Glück aufgegabelt und sich um mich gekümmert“.
„Du bist also Majas Freund?“
„Was? Nein. Er ist ein flüchtiger Bekannter“.
„Oh. Fettnäpfchen. Sorry“.
Julian geht auf Mike zu und streckt ihm lächelnd die Hand entgegen.
„Hi. Ich bin Julian“.
„Angenehm. Mike“.
„Wie gesagt. Ich nehme Maja auf. Du kannst also dann jetzt gehen“.
Ich nicke ihm zu.
„Ich rufe dich später an und wenn etwas ist oder die Polizei meine Aussage braucht, ruf du
mich einfach an“.
„Danke nochmal. Ich schulde dir etwas“.
Er beugt sich zu mir und flüstert mir in tiefem Tonfall ins Ohr.
„Oh böser Fehler, Maja. Das hättest du nicht sagen sollen“.
„So war das nicht gemeint“.
Ich reiße entsetzt die Augen auf.
„Ein Date, wenn es dir besser geht. Ein ganz normales Date“.
„Okay“.
Ich weiß nicht, was mich da gerade geritten hat, aber ich fühle mich erschreckenderweise zu
diesem Mann hingezogen. Vielleicht kann man ja wirklich ganz normale Dates mit ihm haben?
Ich werde es jetzt wohl herausfinden. Carina hat immer wieder betont, dass es das Prinzip der
beiderseitigen Zustimmung beim BDSM gibt. Darauf muss ich mich wohl verlassen. Er gibt mir
einen Kuss auf die Wange und ich atme tief durch, als er weg ist.
„Okay. Er ist weg. Ich hole Florentine, die soll einmal durchchecken, ob es gestern eventuell
zu irgendwelchen sexuellen Handlungen kam. Das brauchen wir für die Polizei. Die habe ich
bereits verständigen lassen. Die kommen sicher demnächst“.
„Danke“.
Es dauert keine Viertelstunde und es steht fest, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach, keinen
Geschlechtsverkehr hatte. Ich werde auf ein Zimmer verfrachtet. Mike kommt zu mir.
„Entschuldige die Verzögerung. Also du hattest recht. Wir konnten GBL nachweisen. Die
Polizei ist jetzt da“.
In diesem Moment klopft es. Zwei Polizistinnen kommen herein. Ich schildere ihnen den
Verlauf des Abends. Sie hinterfragen Julians Rolle bei der Sache genau. Es klingt fast so, als
würden sie ihn verdächtigen.
„Aber wenn Julian damit etwas zu tun gehabt hätte, dann hätte er doch sicher durchgezogen,
was er geplant hat“.
„Außer sein Plan war, als Held dazustehen. Wir gehen der Spur nach. Den anderen Kerl
werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso nicht aufspüren. Dafür ist die Beschreibung
zu wage“.
„Julian hat gesagt, ich solle Ihnen seine Nummer geben. Dann können Sie Kontakt aufnehmen
und ihn befragen. Das tut doch niemand, der an meiner Lage die Schuld trägt“.
„Sie meinten, er sei promovierter Psychologe? Den Intellekt für ein solches Vorgehen besitzt
er also“.
„Er hilft mir und bekommt dafür jetzt Probleme? So viel zur Zivilcourage“.
„Ich verspreche Ihnen, auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen“.
„Danke“.
Am späten Nachmittag geht es mir wieder gut. Einer meiner Kollegen entlässt mich. Ich werde
von einer Schwester nach Hause begleitet, die gerade ihre Schicht beendet hat. Ich nehme
meinen Ersatzschlüssel aus dem Krankenhaus mit nach Hause. Kurz nachdem ich in meiner
Wohnung bin, greife ich zu meinem Telefon. Ich nehme die Visitenkarte aus meiner Handtasche
und wähle Julians Nummer.
„Hi“.
„Wie geht´s dir, Maja?“
„Ich bin wieder zu Hause. Hat sich die Polizei schon bei dir gemeldet?“
„Ja. Haben sie“.
„Es tut mir leid“.
„Was? Dass die mich verdächtigen? Das war doch klar. Du bist also wieder daheim. Wann
bekomme ich mein Date?“
„Sollen wir es schnell hinter uns bringen?“
„Wegen mir sehr gerne. Ich hole dich gegen 19 Uhr“.
„Okay“.
„Wenn du dir nur vielleicht etwas anziehen könntest, das ein bisschen weniger - nein sagen
wir besser mehr - ist als das Outfit gestern“.
„In dem Outfit bringen mich keine zehn Pferde mehr vor die Tür“.
Er lacht.
„Ich freue mich auf später“.
„Ich mich auch, Julian“.
Zu meiner Verwunderung meine ich es genauso, wie ich es sage. Carina kommtnach Hause.
„Hey Maja. Alles klar? Geht´s dir wieder gut?“
„Ja. Alles bestens. Carina, ich gehe heute Abend nochmal aus. Kannst du mir mit einem Outfit
aushelfen? Ich habe mich gestern auch an deinem Schrank und deiner Schminke bedient, aber
das ging nach hinten los“.
„Was hattest du an?“
„Das minikurze Kleid mit den Schnüren“.
„Nein! Das hast du nicht getragen“.
Sie starrt mich entsetzt an.
„Ich hoffe, dich hat keiner gesehen. Das Teil habe ich mir mal für eine Mottoparty zugelegt.
Ich war eine Bordsteinschwalbe“.
„Hör auf. Es war mir schon peinlich genug“.
„Wen hast du getroffen?“
„Julian“.
„Wer ist das?“
Erst jetzt wird mir mein Fehler klar. Um mein Versprechen nicht zu brechen, darf ich jetzt
nicht zugeben, dass es sich dabei um Carinas Dom handelt.
„Ein Bekannter. Heute habe ich ein Date mit ihm“.
„Nein! Maja hat ein Date. Der kann aber nichts taugen, wenn er dich nach dem Auftritt daten
will“.
„Er will mich trotz dieses Outfits daten“.
„Ich will es dir nicht vermiesen. Komm mit. Wir finden schon etwas“.
Wir gehen an ihren Kleiderschrank. Sie legt mir drei verschiedene Kleider zur Auswahl hin.
Ein schwarzes Etuikleid, ein rotes Kleid mit weitem Rock und ein moosgrünes Kleid mit tiefem
Rückenausschnitt.
„Probier einfach alle an und dann entscheiden wir, was dir am besten steht“.
Ich ziehe mich aus und schlüpfe in das schwarze Kleid. Es ist schön, sitzt aber nicht richtig.
Das rote ist mir zu verrucht. Als ich in das grüne schlüpfe, strahlt Carina mich an.
„Darf ich dich noch schminken, Maja? Du siehst umwerfend aus“.
„Klar. Gerne“.
Sie verpasst mir roséfarbenen Lipgloss, Wimperntusche und erneut Eyeliner. Ich beschließe,
dass ich mir jetzt doch mal ein wenig eigene Schminke zulegen sollte. Ich schaue in den Spiegel.
„Krasse Verwandlung“.
„Kann ich so gehen?“
„Aber hallo. Mein Herr würde so nicht mehr wagen, dich graue Maus zu nennen“.
Ihre Erwähnung von Julius versetzt mir einen Stich ins Herz. Ich komme mir so vor, als würde
ich Carina betrügen. Ich hintergehe sie. Es klingelt.
„Oh. Ich bin dann weg. Danke für alles“.
„Viel Spaß. Amüsiert euch. Und wenn ich die WG räumen soll, dann schreib mir und ich
überlasse sie für heute Nacht euch“.
„Dazu wird es nicht kommen“.
Ich schnappe meine Tasche diesmal mit meinem Schlüssel und gehe nach unten. Julian wartet
auf mich an einen Laternenmast gelehnt. Er trägt eine dunkelgraue Stoffhose und ein weißes
Hemd dessen oberste Knöpfe offenstehen.
„Wow. Du bist eine Erscheinung. Du siehst bombastisch aus. Warum hast du dich die Male im
Restaurant so versteckt?“
„Da hatte ich meinen Alltagslook an“.
„Du tarnst dich also?“
„Ja. Aber eher jetzt“.
„Dann steht dir dieser Tarnmodus mehr als gut. Darf ich dich zum Essen ausführen?“
„Gerne“.
Er öffnet mir die Beifahrertür seines Autos. Ich steige ein und setze mich. Er fährt uns zu
einem Restaurant. Er hat einen Tisch für uns reserviert und wird auch hier sofort namentlich
begrüßt. Er rückt mir meinen Stuhl zurecht und ich setze mich. Er nimmt mir gegenüber Platz.
„Wie lange geht deine Facharztausbildung noch?“
„Ich habe fast drei Jahre geschafft. Also sind es noch etwa zwei Jahre. Wie lange hast du
schon deine eigene Praxis?“
„Seit vier Jahren“.
„Arbeitest du analytisch oder verhaltenstherapeutisch?“
„Ich mache Verhaltenstherapie“.
„Hast du viele Patienten?“
„Ich kann mich nicht beklagen“.
Der Kellner kommt an unseren Tisch.
„Wir nehmen zweimal das Rinderfilet und zwei Gläser Wasser mit Zitrone, bitte“.
Der Kellner geht und ich starre Julian irritiert an.
„Ist das für dich normal? Du bestellst und die Frau hat kein Mitspracherecht?“
„Du bist zu dünn. Wahrscheinlich isst du viel zu unregelmäßig. Machst du Sport?“
„Ob ich zu dünn bin oder nicht, ist doch meine Angelegenheit. Und ja, ich gehe regelmäßig
joggen“.
„Ich möchte dich beim Joggen begleiten. Darf ich?“
„Ich weiß nicht. Ich mag keine übergriffigen Männer“.
„Ich stehe auf Frauen, die wissen, was sie wollen. Aber vor allem mag ich Frauen, die bereit
sind, auch mal die Kontrolle abzugeben“.
„Das ist mir klar. Könntest du dir vorstellen eine Beziehung, ohne diesen BDSM-Kram zu
führen?“
„Warum fragst du?“
„Rein aus Interesse“.
„Ich glaube dir nicht. Du fühlst es auch, oder? Dieses Knistern zwischen uns“.
Verflucht ja, ich spüre es.
„Nein. Was meinst du?“
„Ich habe dir gesagt, wie sehr ich Lügen verabscheue“.
„Aber Carina“.
„Sie ist eine Sub. Eine von vielen. Ich finde sie attraktiv, aber mehr ist da nicht. Bei dir ist es
anders. Du ziehst mich an. Nicht nur körperlich, auch geistig. Ich finde dein Wesen sogar noch
anziehender als deinen bombastischen Körper“.
„Aber ich werde mich niemals verprügeln lassen“.
Er schüttelt den Kopf und schnaubt aus.
„Ich habe noch nie eine Frau verprügelt. Du hast eine völlig falsche Vorstellung. Hast du mal
einen BDSM-Vertrag gelesen? Dann würdest du vielleicht anders denken. Es geht um Lust.
Schmerz kann die Endorphinproduktion anregen. Man darf das Maß nur nicht überschreiten. Ich
strafe grundsätzlich nicht mit Schlägen, die ernsthafte Verletzungen auslösen könnten. Wenn
meine Subs richtig Mist bauen, dann ignoriere ich sie außerdem viel lieber. Das ist tausendmal
schlimmer für sie“.
„Warum maßt du dir an, einen anderen Erwachsenen bestrafen zu dürfen?“
„Weil ich die Kontrolle brauche, um wirklich zufrieden und glücklich zu sein“.
„Also keine Beziehung ohne BDSM?“
„Ich denke nicht, nein“.
Der Kellner stellt uns das Essen hin.
„Ich halte es für besser, wenn ich jetzt gehe“.
„Iss bitte mit mir oder magst du kein Rind?“
„Ich fühle mich so mies, weil ich Carina hintergehe. Sie steht auf dich“.
„Sie weiß, dass ich nie mehr von ihr will als ihre Unterwerfung. Ich habe ihr ganz klar gesagt,
dass ich keine Gefühle haben werde“.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“.
Er greift nach meiner Hand. Da ist dieses elektrisierende Prickeln, aber ich ziehe schnell
meine Hand zurück. Ich starre auf mein Essen. Eigentlich habe ich Hunger, aber mir ist nicht
nach Essen zumute. Ich stehe auf.
„Bitte bleib“.
„Ich kann nicht. Es tut mir leid“.
Ich verlasse das Restaurant. Ich muss mich anstrengen, aber ich sehe nicht zurück. Ich hole
mein Handy heraus und suche nach der nächstgelegenen Straßenbahnhaltestelle.
„Bitte steig ein. Ich fahre dich nach Hause“.
„Was ist mit dem Essen?“
„Ich lasse dich nicht allein nach Hause gehen“.
Eine Träne läuft mir über die Wange. Er ist der erste Mann, zu dem ich mich wirklich
hingezogen fühle. Warum muss ausgerechnet er auf Dinge abfahren, die ich für pervers halte? Er
nimmt mich in den Arm und riecht offenbar an meinen Haaren. Er seufzt.
„Ich will es versuchen. Ich will dich näher kennenlernen. Bitte gib mir eine Chance. Gib uns
eine Chance, Maja“.
„Du weißt gar nicht, wie schwer es mir gefallen ist gerade den Tisch zu verlassen und zu
gehen“.
„Ich kann es mir vorstellen. Aber ich bin nicht so stark wie du. Ich musste dem Drang dir
hinterherzulaufen einfach nachgehen“.
„Scheiße, Julian. Das wird nichts“.
„Ich weiß, aber ich will dich“.
Ich seufze. Diese Anziehungskraft zwischen uns beiden kann auch ich nicht leugnen.
„Dann nimm mich“.
Er legt seine Hand auf meine Wange. Er streichelt mich mit seinem Daumen, lässt die Hand zu
meinem Hinterkopf wandern und dann berühren seine Lippen meine. Verflucht, kann dieser Kerl
küssen. Seine Lippen geben den Ton an. Als er seine öffnet, folgen meine wie von allein. Ich
spüre seine Hand auf meinem Hinterkopf. Die Haare seines Dreitagebarts reiben über meinem
Kinn. Seine Zunge dringt in meinen Mund. Ich schmecke noch Zitrone. Seine Zunge ist
verlangend. Er nimmt mich ein und ich bin Wachs in seinen Händen. Ich muss aufpassen, dass
ich nicht so dahinschmelze, dass ich meine Ausgangsform vergesse. Er löst sich von mir.
„Lass uns zu dir fahren“.
„Bist du sicher?“
„Frag nicht, sonst überlege ich es mir vielleicht noch einmal anders“.
Er geht zum Auto und öffnet mir die Tür. Ich steige ein. Blitzschnell ist er auf dem Fahrersitz
und kurz darauf parken wir vor seinem Haus. Er steigt aus und öffnet mir die Tür. Ich folge ihm
zum Haus. Wir gehen nach obenin den ersten Stock. Sobald die Tür geschlossen ist, drängt er
mich gegen die Wand. Seine Hand vergräbt sich in meinen Haaren. Die andere Hand knetet
meine Brust. Mit seinem Körper hält er mich an die Wand gepresst. Ich knöpfe hektisch sein
Hemd auf, während seine Zunge sich in meinem Mund versenkt. Ich zerre sein Hemd über seine
Schultern und er zieht mir das Kleid über den Kopf. Mit nur einem geübten Griff ist auch mein
BH offen. Ich lasse ihn zu Boden gleiten. Ich knöpfe seine Hose auf. Er versteift.
„Scheiße, ich kann das so nicht“.
„Was meinst du?“
„Mich darf nie jemand anfassen“.
„Soll ich es lassen?“
„Ja, bitte“.
Ich lasse meine Hände sinken. Er fällt weiter über mich her. Er knetet meinen Hintern und
drückt mich an sich. Er hebt mich hoch und trägt mich küssend in ein Zimmer am Ende des
Flurs. Es ist sein Schlafzimmer. Er legt mich aufs Bett und zieht mir meinen Slip aus. Er zieht
seine Hose aus. Sein Körper ist durchtrainiert und makellos. Er legt sich zu mir aufs Bett. Seine
Härte drückt fest gegen seine Boxershorts. Ich hebe meine Hand, um seine gestählte Brust zu
berühren, aber ich bremse mich gerade noch rechtzeitig.
„Wenn ich dich fessle, macht es das einfacher für dich“.
„Dann fessle mich“.
Er steht auf und holt seinen Gürtel. Er umschlingt meine Hände damit und bindet sie ans
Kopfende seines Bettes. Er knetet wieder meine Brust. Er küsst mich. Sein Verlangen steht ihm
ins Gesicht geschrieben. Er fährt mir mit seiner Hand zwischen die Beine. Er reibt meine Klit
kreisförmig. Ich recke mich ihm entgegen. Dass er mich gefesselt hat, ermöglicht es mir
tatsächlich, mich fallen zu lassen. Ich genieße ihn einfach. Ein Finger gleitet in mein Inneres. Ich
stöhne auf. Seine Zunge und seine Lippen liebkosen meine Brust. Plötzlich knabbert er mir an
meinem Nippel. Ich japse nach Luft.
„Hey“.
„Oh entschuldige. Alte Angewohnheit“.
Aber eigentlich war das gerade wirklich heiß. Es hat mich scharf gemacht.
„Bitte nimm mich“.
„Eine von der schnellen Truppe. Du musst lernen zu genießen“.
Er streichelt meinen Körper. Er fährt mit dem Fingernagel von den Fesseln an meinen
Handgelenken über meine Unterarme und Ellenbeugen hin zu meinen Oberarmen. Ich seufze.
Und dann schiebt er meine Beine auseinander. Er versenkt seinen Kopf zwischen meinen Beinen
und bearbeitet meine empfindsamste Stelle mit seiner Zunge.
„Oh mein Gott“.
Ich ziehe an den Fesseln. Er schiebt seine Zunge in meine Spalte und dringt in mich ein.
„Das ist mir zu haarig. Das nächste Mal bist du blankrasiert, dann bringe ich das zu Ende“.
Ich werde rot. Das ist mir so peinlich. Er zieht seine Boxershorts aus und jetzt sehe ich seinen
Schwanz in voller Dimension. Es ist erst der zweite, den ich im privaten Umfeld zu Gesicht
bekomme. Er ist dick, lang und adrig. Definitiv viel größer als der von meinem Exfreund. Er rollt
sich ein Kondom über und platziert sich vor meinem Eingang. Er sieht mir tief in die Augen und
schiebt sich dann in mich. Ich atme hörbar aus und lächle. Er versenkt sich ganz langsam in mir.
Kurz tut es weh und ich ziehe meine Stirn kraus.
„Alles okay?“
„Ja. Mach bitte weiter“.
Er lächelt und schiebt sich vorsichtig tiefer. Langsam gewöhne ich mich an seine Dimension.
Er beginnt sich in mir zu bewegen und reibt mir dabei jedes Mal über meinen Kitzler. Ich gebe
mich ihm hin. Er küsst mich und stößt dabei immer schneller in mich. Er lässt seine Hüfte ein
wenig kreisen, so dass er mein Inneres und meine Perle auf noch höhere Sphären der Erregung
hebt. Und dann ist es soweit und ich erbebe unter ihm. Ich stöhne laut und er hält inne, als er sich
in mir ergießt. Er zieht sich zurück, entsorgt das Kondom und löst dann den Gürtel und befreit
meine Hände. Er legt sich aufs Bett und zieht mich auf seine Brust.
„Das war eine Herausforderung“.
„Für wen?“
Ich sehe ihn verwundert an.
„Für uns beide. Es tut mir leid, dass ich dich gebissen habe“.
„Das war nicht so schlimm“.
„Und ich muss zugeben, dass ich dir normalerweise deinen Orgasmus verwehrt hätte und dir
üble Nippelklemmen angelegt hätte“.
„Wie bitte? Warum?“
„Du hast mich die ganze Zeit angesehen. Das dürfen meine Subs nicht und außerdem hast du
mich geduzt. Das geht für mich beim Sex gar nicht. Da möchte ich Respekt“.
„Soll ich dich etwa siezen? Ist das der Grund, warum Carina dich Herr nennt?“
„Ja. Aber meinen Subs ist es grundsätzlich nicht gestattet, mich zu duzen, wobei ich drei
verblichene Subs habe, die mich mittlerweile duzen“.
„Okay. Harter Tobak“.
„Entschuldige. Ich rede grundsätzlich völlig offen über Sex. Nur so kann man erreichen, dass
beide in der Beziehung befriedigt werden“.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich soll dich also beim Sex siezen? Ich kann dich nicht Herr
nennen. Das erinnert mich zu sehr an Carina. Oh Gott. Ich habe gerade meine beste Freundin
hintergangen“.
„Nein. Mach dir keine Gedanken. Sie würde das sicher verstehen“.
„Wir teilen alles, aber definitiv nicht unsere Männer. Das ist ein No-Go“.
„Du kannst dir ja eine Lösung überlegen und so lange sprichst du mich eben beim Sex nicht
mehr an“.
„Okay“.
„Und bitte mach ein Waxing oder rasiere dich. Ich mag keine Schambehaarung“.
„Darauf kann ich mich auch einlassen“.
Und in Gedanken füge ich hinzu, vor allem wenn er mich dann noch einmal mit seiner Zunge
erforscht.
„Wenn du willst, kann ich dich auch jetzt gleich rasieren, aber wenn du Waxing bevorzugst,
müssen wir sie lang lassen“.
„Ähm. Nein. Ich rasiere mich“.
„Dann lass es mich schnell machen, dann können wir gegen später noch eine zweite Runde
starten“.
„Gib mir einfach den Rasierer“.
„Nein oder vertraust du mir nicht?“
„Es ist mir peinlich“.
„Das muss es nicht. In Zukunft bist du einfach komplett rasiert, wenn wir uns treffen. Du
konntest ja nicht ahnen, dass es zwischen uns so weit geht. Und jetzt komm mit ins
Badezimmer“.
Ich folge ihm nackig. Er nimmt einen Stuhl aus dem Flur mit und legt ein Handtuch darüber.
„Setz dich auf den Stuhl. Erstmal Beine breit zu beiden Seiten abstellen“.
Ich setze mich darauf, traue mich aber nicht die Beine breit zu machen. Er beugt sich zu mir
und brummt mir mit tiefer Stimme ins Ohr.
„Blank lasse ich dich meine Zunge spüren. Ich werde deinen Saft schlürfen und dann werde
ich dich zu einem Orgasmus bringen, den du so noch nicht erlebt hast“.
Mit etwas Nachdruck spreizt er meine Beine. Er verteilt Rasierschaum auf meiner Scham und
setzt eine neue Klinge ein. Er lässt Wasser ins Waschbecken einlaufen und fängt an, mich zu
rasieren. Ich schließe meine Augen. Noch niemals hat mich jemand da unten komplett rasiert.
Noch nicht einmal ich selbst. Seine Berührungen sind zärtlich und ich fange nach kurzer Zeit an,
sie zu genießen. Irgendwann weist er mich an aufzustehen und ein Bein auf den Stuhl
abzustellen. Er rasiert mir sogar die Haare bis ganzen hinten ab. Ich bin tomatenrot, wie ein
flüchtiger Blick in den Spiegel beweist. Mir ist das so unangenehm. Er wäscht mich mit einem
Waschlappen sauber. Er streichelt mir über meine nun glatte Haut und nimmt dann meine Hand.
„Fühl mal. Ist das nicht viel besser?“
Ich verkrampfe.
„Sag mal, berührst du dich manchmal selbst?“
Ich weiche seinem Blick aus, aber er packt mein Kinn und zwingt mich dazu ihn anzusehen.
„Bekomme ich eine Antwort?“
„Ja“.
„Darf ich dich um einen ganz großen Gefallen bitten?“
„Ich glaube nicht“.
„Jetzt komm schon“.
„Du willst, dass ich mich vor dir selbst berühre, oder?“
„Ja“.
„Nein. Das mache ich nicht“.
„Dann eben nicht. Schade. Ich hätte es geil gefunden. Vielleicht kannst du dich irgendwann
dazu durchringen. Jetzt komm mit. Ich schulde dir noch einen Orgasmus“.
Ich habe noch nie so offen über Sex gesprochen. Ich bewege mich nicht von der Stelle. Ich
komme mir komisch vor, wenn ich jetzt gierig ins Schlafzimmer renne. Er grinst, schnappt mich,
wirft mich über seine Schulter und verpasst mir einen Klaps auf den Hintern, als ich anfange zu
zappeln.
„Hey. Lass mich runter“.
„Das willst du doch gar nicht wirklich“.
Ich verstumme und lasse mich davontragen. Ich schaue ihm beim Laufen auf seinen knackigen
Hintern. Verflucht,der Kerl ist heiß. Er wirft mich aufs Bett und geht zu einer Kommode. Er
kommt mit Handschellen zurück, mit denen er erneut meine Hände über meinem Kopf fixiert. Er
grinst und schiebt meine Beine auseinander. Dann versenkt er seinen Kopf abermals zwischen
ihnen. Er küsst zuerst zärtlich meine Klit. Dann lässt er seine Zunge in meine Spalte wandern
und schiebt sie tief in mein Inneres. Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde und ich bin
unglaublich erregt. Er ist ein wahrhafter Zungenakrobat. Und dann bearbeitet er meine
Schamlippen knabbernd mit seinen Zähnen. Es tut ein kleines bisschen weh, aber es macht mich
wahnsinnig und als er meine Perle zwischen die Lippen nimmt und fest daran saugt, ist es
endgültig um mich geschehen. Ich schreie laut auf und dann eine Winzigkeit von meinem
Orgasmus entfernt hört er auf und grinst.
„Soll ich dir erlauben zu kommen? Dann bettle darum“.
„Oh Gott. Ja, bitte lassen Sie mich kommen, Gebieter“.
Dieser Satz geht mir ganz einfach über die Lippen. Ich habe nicht viel nachgedacht. Es fühlt
sich einfach richtig an. Und sofort reagiert er und saugt erneut an mir. Ich brülle meinen
Höhepunkt heraus. Mein Körper zuckt und mein Hintern spannt sich an. Erschöpft falle ich in
die Kissen. Das war eine innere Explosion. Er kommt zu mir und küsst mich. Er schiebt seine
Zunge, die gerade noch in mir steckte, tief in mich. Ich erwidere seinen Kuss trotzdem und
schmecke mich dabei selbst.
„Du machst dir keine Vorstellung, was mir das gerade bedeutet hat. Danke, Maja. War es arg
schlimm für dich?“
Er befreit mich von den Handschellen.
„Was meinst du?“
„Du hast mich gesiezt und Gebieter genannt. Noch nie hat mich jemand so genannt. Das
gefällt mir. Sehr sogar“.
„Nein, damit kann ich umgehen, sonst hätte ich es nicht getan“.
„Danke“.
Ich lächle. Er legt die Handschellen auf den Nachttisch und legt sich auf die Seite.
„Weißt du eigentlich, dass ich unglaublich Kohldampf habe?“
„Entschuldige. Soll ich dir etwas kochen?“
„Du wirst mitessen. Du bist sowieso zu dürr“.
„Ich fühle mich wohl so, aber okay. Ich koche uns beiden etwas“.
„Nein. Ich bestelle uns etwas. Ich möchte lieber hier mit dir liegen und deinen Duft einatmen.
Du riechst nach Mandelblüten“.
„Das ist meine Bodylotion“.
„Benutz sie bitte weiter“.
„Das lässt sich einrichten“.
Er greift zu seinem Telefon und bestellt uns Pizza. Ich liege auf seiner Brust und bin unsicher
und steif.
„Was ist los?“
„Ich würde dir jetzt gerne über die Brust streicheln“.
„Dann mach doch“.
„Darf ich das denn?“
„Der Sex ist vorbei. Jetzt darfst du alles bis auf meinen Schwanz und meine Eier anfassen. Die
fasst du nur an, wenn ich es dir ausdrücklich erlaube, okay?“
Ich habe das Gefühl, das Ganze geht gerade ziemlich stark in eine Richtung, die ich eigentlich
nicht wollte. Ich werde nachdenklich, weil ich tatsächlich alles gut finde, was bislang war. Ich
fühle mich sehr wohl bei Julian. Ich ringe mit mir.
„Julian?“
„Ja?“
„Darf ich dich etwas fragen? Aber ich möchte nicht, dass du da etwas Falsches
hereininterpretierst“.
„Frag einfach“.
„Darf ich mal so einen Vertrag sehen?“
„Du meinst den Vertrag, den ich den Subs vorlege?“
„Ja“.
„Du interessierst dich dafür?“
„Es ist reine Neugier. Ich will ihn nicht unterschreiben“.
„Ich würde nie zulassen, dass du ihn unterschreibst“.
„Warum?“
„Darin sind Dinge geregelt, wie meine Polygamie, aber die Monogamie der Frauen.
Außerdem steht klar drin, dass keine Gefühle entstehen dürfen und darüber sind wir nun einmal
schon hinaus. Außerdem dürfen meine Subs mich nicht duzen, wie du weißt und keine darf mich
je zu Hause aufsuchen und das waren nur ein paar wenige Beispiele“.
„Bitte lass ihn mich lesen“.
Er steht auf und kommt nach fünf Minuten mit einem Stapel Papier zurück. Er reicht ihn mir.
Ich drehe mich auf den Bauch und beginne zu lesen. Es ist interessant, aber ich verstehe viele
Dinge nicht.
„Wenn du Fragen hast, dann stell sie mir“.
„Was hat das mit dieser Einstufung von Schmerzgrenzen auf sich?“
„Ich wähle ein Schlagwerkzeug wie zum Beispiel einen Flogger und schlage in
unterschiedlicher Stärke zu. Die Sub sagt mir auf einer Skala von eins bis zehn wie schlimm der
Schmerz war. Eins ist gar nicht und zehn ist unerträglich schlimm“.
„Oh Gott. Und sowas gefällt dir?“
„Nein, aber es ist wichtig für mich, um zu wissen, wie hart ich schlagen kann oder muss, um
den gewünschten Effekt zu haben“.
„Und was genau ist ein Flogger?“.
Er steht auf und geht wieder an diese Kommode. Er kommt mit einem Teil zurück, das aus
einem Griff und diversen Lederstreifen besteht. Er lässt es zärtlich über meinen Rücken streifen.
Ich spanne alle meine Muskeln an, verkrampfe vollständig.
„Denkst du, ich würde dich schlagen?“
„Ich weiß nicht“.
„Maja, das wäre Körperverletzung. Das würde ich nie tun. Ich habe noch nie eine Frau
geschlagen, die nicht zuvor eingewilligt hat. Ich wollte dir nur zeigen, dass auch ein solcher
Gegenstand seine sanfte Seite hat“.
„Aber auch eine brutale“.
„Stimmt. Man muss wissen, wie man die Peitschen einsetzt“.
„Und du weißt das?“
„Ich habe jedes Schlagwerkzeug an mir selbst erprobt und habe mit den Singletails und
Bullwhips lange trainiert, bis ich mir sicher sein konnte, immer genau die Stelle zu treffen, die
ich erwischen will“.
„Das ist einfach etwas, das ich nicht nachvollziehen kann“.
„Wie schlimm war es, dass ich dir in die Schamlippen gebissen habe?“
Ich schließe meine Augen.
„Es war eigentlich schön“.
„Wie war es, als ich dir einen Klaps auf den Po verpasst habe, als ich dich aus dem
Badezimmer getragen habe?“
„Ich weiß nicht, ich war von deinem knackigen Hintern abgelenkt“.
Er lacht auf. Es klingelt an der Tür. Er geht und bringt die Pizza ins Schlafzimmer.
„Willst du etwa hier essen?“
„Mit dir mache ich lauter Dinge, die ich noch nie zuvor gemacht habe“.
„Aber ein paar Dinge sollten wir uns noch aufheben. Lass uns im Esszimmer oder der Küche
essen“.
„Dann wenigstens auf der Couch lümmelnd und unbedingt nackt“.
Ich grinse und stehe auf. Er führt mich in sein Wohnzimmer. Die Wohnlandschaft lädt
tatsächlich zum Lümmeln ein. Sie ist groß und scheint bequem zu sein. Ich nehme mir ein Stück
von der fettigen Pizza. Julian beißt auch in ein Stück. Sie schmeckt gut. Den Lieferdienst muss
ich mir merken. Als wir fertig sind, lege ich meinen Kopf auf seinen Schoß. Er streichelt mir
durch die Haare. Ich schließe die Augen.
„Sollen wir ins Bett gehen?“
„Hmmm“.
Ich bin zu müde. Wenn ich jetzt aufstehe, bin ich wieder hellwach. Dazu habe ich keine Lust.
Irgendwann nimmt er mich auf den Arm und trägt mich ins Schlafzimmer. Es war ein langer
Tag. Es muss weit nach 0 Uhr sein. Ich kuschle mich an ihn und er zieht die Decke über uns.
Kapitel Vier
 
Der Wecker ist gnadenlos. Ich blinzle mir den Schlaf aus den Augen.
„Oh entschuldige, ich gehe morgens immer laufen. Deswegen klingelt mein Wecker so früh“.
„Ich würde ja gerne mit dir joggen gehen, aber ich habe nur das Kleid und die Heels. Das wird
wohl nichts, aber für anderen Sport wäre ich zu haben“.
„Was meinst du?“
„Bettsport“.
„Nö. Ich habe beschlossen, vorerst nicht mehr mit dir zu schlafen“.
„Wie bitte? Warum?“
„Weil ich erst sehen will, wie du masturbierst“.
„Dann halt nicht“.
„Also gehe ich jetzt joggen. Ich habe in einer Stunde den ersten Termin“.
„Ich will nicht, dass du gehst. Das nächste Mal gehe ich mit Joggingklamotten mit dir essen,
dann kann ich wenigstens am Morgen mitlaufen“.
„Gute Idee. Letzte Chance, dass ich hierbleibe. Du musst nur deine Hand nach unten wandern
lassen“.
Ich lege eine Hand über meine Augen und streichle mir dann tatsächlich mit der Hand über
den Bauch hinunter zu meinem Venushügel. Ich will wirklich nicht, dass er jetzt geht und wenn
das der einzige Weg ist, um ihn aufzuhalten, muss ich da jetzt eben durch. Ich lasse meinen
Finger zu meiner Perle wandern und fange an, sie zu reiben.
Ich spüre, wie die Matratze sich bewegt. Er scheint sich hingesetzt zu haben. Er sieht mir also
tatsächlich zu.
„Knete deine Brust“.
Ich nehme meine Hand von den Augen und fasse mir an die Brust. Ichdrücke zu und streife
meinen Nippel. Ich massiere meine Perle und strecke mich mir selbst entgegen. Meine Atmung
wird schneller.
„Sieh mich an“.
Ich öffne die Augen und sehe ihn mit einem steinharten Schwanz auf dem Bett sitzen. Er
beobachtet mich. Ich schaue ihm in die Augen, in denen ich dunkles Verlangen erkenne. Ich
reibe fester über meine Klit und dann ist es soweit und ich erzittere.
„Braves Mädchen. Dann frühstücke ich wohl heute im Bett und vernasche einfach dich“.
Er steht auf, geht zu der Kommode und holt ein Seil hervor.
„Leg dich auf den Bauch“.
Ich reagiere prompt. Er fesselt mir meine Hände auf dem Rücken und zieht das Seil straff an.
Es tut ein wenig weh. Ich frage mich, warum er das tut. Wenn er mich von hinten nimmt, kann
ich ihn ohnehin nicht anfassen. Er zieht mich an der Hüfte an den Rand des Bettes. Mein Gesicht
und meine Schultern berühren noch die Matratze. Er schiebt mir völlig unvermittelt einen Finger
in den Hintern.
„Hat dich schonmal ein Mann hier hineingenommen?“
„Hör auf, Julian. Mach mich los. Was soll das?“
Sofort zieht er seinen Finger zurück.
„Oh Gott. Entschuldige, Maja. Bei deinem Anblick ist der Dom in mir zum Vorschein
gekommen. Bitte verzeih mir“.
„Ist okay. Entschuldigung angenommen, aber mach sowas nicht wieder“.
„Soll ich das Seil entfernen?“
„Nein, Gebieter. Sie dürfen weitermachen“.
Ich muss grinsen, aber ihn bringt es wieder auf Touren. Er positioniert sich hinter mir und
schiebt sich in mich. Er hält meine Hüfte fest und stößt zu. Er umgreift meine Hüfte mit einem
Arm und reibt meine Perle genau wie ich es gerade getan habe. Sein Schwanz nimmt meine
Höhle in Beschlag. In diesem Winkel dringt er noch viel weiter vor als gestern. Ich spüre ihn an
Stellen, an denen noch nie ein Mensch gewesen ist. Sein kreisender Finger jagt mich mit rapiden
Schritten auf den Abgrund zu.
„Komm still für mich“.
Ich presse meine Lippen aufeinander, während er sich weiter in mir versenkt. Mein Herz rast
und als ich nun völlig stumm explodiere, stöhnt er laut meinen Namen und krallt sich in meiner
Hüfte fest. Er zieht sich aus mir zurück und löst das Seil auf meinem Rücken.
„Warum hast du mich gefesselt?“
„Ich war im Trott. Es tut mir leid. War es schlimm?“
„Ich habe es nur nicht verstanden. Schlimm fand ich es eigentlich nicht“.
„Ich habe mich mitreißen lassen. Das hätte nicht passieren dürfen. Du bist einfach so
wundervoll und dann tust du auch noch solche Dinge wie auf meine Aufforderung hin zu
masturbieren. Du zeigst dich in Teilen so wunderbar unterwürfig, dass es mich einfach vergessen
lässt, dass du nicht eine meiner Subs bist“.
Ich schlucke schwer. Wird er das mit seinen Subs aufrechterhalten? Trotz dessen, was sich
gerade zwischen uns entwickelt? Ich muss das herausfinden, kann ihn aber nicht direkt fragen.
Ich will nicht, dass er das Gefühl hat, dass ich ihn unter Druck setze oder zu viel von ihm
möchte. Aber ich will schlichtweg keine halbherzige Beziehung.
„Ich gehe jetzt unter die Dusche, okay? Du hast heute noch frei, oder? Magst du den Tag hier
verbringen?“
„Nein. Ich gehe in meine Wohnung. Ich brauche andere Klamotten“.
„Alles klar. Sehen wir uns dann heute Abend?“
„Willst du das denn?“
„Natürlich“.
„Ich komme zu dir. Wann hast du deinen letzten Patienten?“
„Um etwa 18:30 Uhr bin ich fertig, aber du kannst jederzeit in meiner Praxis klingeln. Ich
lasse dich dann rein und wenn du magst, lasse ich den Wohnungsschlüssel einfach oben
stecken“.
„Nein. Ich komme so gegen 19 Uhr“.
„Ist alles in Ordnung?“
„Ja, klar“.
Er geht unter die Dusche und ich schlüpfe in die Kleidung von gestern. Ich habe beschlossen,
dass ich shoppen gehe. Ich werde mich nur noch zu Hause umziehen. Ich warte, bis Julian aus
der Dusche kommt.
„Ich gehe dann jetzt“.
„Möchtest du keinen Kaffee mehr?“
„Nein. In zehn Minuten fährt eine Straßenbahn in meine Richtung“.
„Du kannst auch mein Auto nehmen“.
„Und wie erkläre ich das Carina? Nein, danke“.
Er kommt auf mich zu und will mich küssen, aber ich schiebe ihn zurück.
„Ich habe keine Zähne geputzt“.
„Ich habe noch eine Ersatzzahnbürste“.
„Nein. Schon okay. Ich gehe jetzt. Bis heute Abend“.
„Es tut mir wirklich leid, Maja“.
„Nein. Es ist alles in Ordnung. Tschüss“.
Ich nehme meine Tasche und gehe aus der Wohnung. Ich laufe zügig in Richtung Bahn. Es tut
ihm offensichtlich sehr leid, dass es vorhin mit ihm durchgegangen ist. Ich erwische die Bahn im
letzten Moment. Carina ist zu meiner Erleichterung schon bei der Arbeit. Ich wasche schnell ihr
Kleid und die Sachen von Julian und springe unter die Dusche. Nach einem starken Kaffee
mache ich mich pünktlich zur Ladenöffnung auf den Weg in die Innenstadt.
Ich gehe exzessiv shoppen. Ich decke mich mit unzähligen Outfits neu ein und gehe an mein
Erspartes, aber das fühlt sich gerade richtig an. Ich kaufe mir auch Make-Up und neue
Mandelblüten-Bodylotion. Als ich nach Hause komme, hänge ich die Wäsche auf und räume
meinen Kleiderschrank neu ein. Ich packe zwei große Tüten mit Klamotten aus meinem Schrank
und stelle sie Carina mit einem Zettel hin, dass sie sich aussuchen kann, was sie möchte. Ich
ziehe meine knallengen neuen Jeans und ein tiefausgeschnittenes grünes Shirt an. Ich lege Make-
Up auf und bin froh, als Carina heimkommt.
„Da ist jemand gevögelt worden!“
„Carina!“
„Habe ich etwa nicht recht? Erzähl mir alles von diesem Julian. Du siehst übrigens saumäßig
gut aus“.
„Julian ist selbstständig. Er sieht umwerfend aus und ja, im Bett hat er es voll drauf“.
„Wenn man auf Blümchensex steht“.
„Mhm“.
Ich zucke mit den Schultern.
„Und wie hat ihm das Kleid gefallen?“
„Nicht so gut, er hat es mir gleich bei erster Gelegenheit ausgezogen“.
Ich grinse breit über beide Backen. Carina fängt an lauthals loszulachen.
„Krass. Maja hat einen Freund. Mit Holger hast du damals doch ziemlich schnell Schluss
gemacht, nachdem ihr angefangen habt miteinander zu schlafen, oder?“
„Ja. Wir hatten nur viermal Sex“.
„Na, dann mal schauen, wann du es mit Julian überbietest“.
Wenn es um die Anzahl der Orgasmen geht, liegt Julian jetzt schon meilenweit vorne, denn
mit Holger hatte ich nicht einen Orgasmus beim Sex. Erst jetzt wird mir das gerade bewusst. Ich
bin gestern das erste Mal beim Sex gekommen.
„Und? Hast du noch etwas von Dr. Heinrich gehört?“
„Ja. Er fragt jeden Tag, wie es mir geht“.
„Das ist ja lieb“.
„Er will nur wissen, wann ich wieder fit für unsere nächste Session bin“.
Das ist ein Schlag in die Magengrube. Ich schlucke meine aufkommenden Tränen hinunter. Er
wird das mit seinen Subs also nicht beenden. Super Sache. Dann bin ich wenigstens nicht schuld,
wenn das zwischen Carina und ihm endet. Außerdem hat er dann nicht so ein Verlangen danach,
mir wehzutun. Alles nur Vorteile, aber verflucht, ich will nicht teilen. Ich kann das nicht. Ich
werde ihn nicht mehr treffen.
„Ist alles okay?“
„Oh. Ähm klar. Alles super. Hast du schon Termine beim Physiotherapeuten ausgemacht?“
„Ja. Ich habe nächsten Montag den ersten“.
„Und tut es noch weh?“
„Die Tabletten, die du mir besorgt hast, helfen super“.
„Und deine Striemen?“
„Sind schon grün“.
„Okay. Ich gehe nochmal weg. Wir sehen uns. Ach so, ich habe dir Klamotten hingestellt, falls
du etwas für deinen Job brauchen kannst, bediene dich. Der Rest geht zur Altkleidersammlung“.
„Danke“.
Ich schnappe meine Tasche und gehe aus dem Haus. Ich laufe zu einem Bäcker und kaufe mir
ein belegtes Brötchen, mit dem ich mich in den Park setze und den verliebten Pärchen dabei
zusehe, wie sie Spaß haben. Gewisse masochistische Neigungen habe also auch ich. Mein
Handy habe ich zu Hause gelassen. Ich wollte nicht in Versuchung kommen, womöglich ans
Telefon zu gehen, wenn Julian anruft. Ich drücke mich bis um 21 Uhr herum und gehe dann nach
Hause. Ein neuer Strauß Blumen steht auf dem Küchentisch.
„Hey Carina. Du hast wieder Blumen bekommen?“
„Ja. Mein Herr war da und hat einen kurzen Besuch gemacht. Er hat nach dir gefragt und
wollte wissen, ob du dich auch gut um mich kümmerst“.
„Wann ist er wieder gegangen?“
„Vor zwanzig Minuten oder so, warum?“
„Nurso. Ich gehe ins Bett. Ich habe ab morgen Frühschicht“.
„Gute Nacht“.
Ich gehe in mein Zimmer und hole mein Handy aus der Tasche. Er hat schon um 19:15 das
erste Mal angerufen und danach noch viele weitere Male. Er hat mir zwölf Nachrichten
geschickt. Die letzte macht mir ein schrecklich schlechtes Gewissen.
Bitte, bitte melde dich, Maja. Ich mache mir solche Sorgen. Wenn du nichts mehr mit mir zu
tun haben willst, dann muss ich das akzeptieren, aber schreib mir bitte, dass du keine K.O.-
Tropfen intus hast und es dir gut geht. Bitte, Maja.
Julian
Ich seufze und schreibe ihm eine Nachricht zurück.
Entschuldige. Es liegt nicht an dir. Mir geht es gut. Ich bin wieder zu Hause. Maja
Ich schalte mein Handy aus, ziehe mich aus und gehe ins Bett.
Mein Wecker klingelt um 5 Uhr. Ich strecke mich. Ich habe miserabel geschlafen letzte Nacht.
Julian geht mir nicht aus dem Kopf. Ich habe ein schlechtes Gewissen, aber er hat das mit Carina
nicht beendet. Er hätte es doch beenden können, wo er gestern Abend schon bei uns war. Trifft er
sich womöglich heute bereits mit anderen? Hat er es eventuell sogar schon gestern Abend getan?
Ich schalte mein Handy an.
Maja,
ich kann nicht mehr tun, als mich zu entschuldigen. Du bist mir erschreckend wichtig. Es wird
nichts mehr in dieser Richtung passieren. Ich werde mich beherrschen. Das verspreche ich.
Wenn du irgendwann soweit bist, dann ruf an oder komm vorbei oder schreib mir. Bitte.
Julian
Ich lese die Nachricht viermal hintereinander. Es liest sich verzweifelt und passt so gar nicht
zu seinem Auftreten. Ich stehe auf und ziehe mich an. Ich werde mir keine Gedanken mehr
darüber machen. Ich muss ihn abhaken. Die Nummer vier an seiner Seite werde ich jedenfalls
definitiv nicht sein.
Ich erreiche die Klinik kurz vor Übergabe und gehe direkt ins Besprechungszimmer. Heute
steht als erstes eine Blinddarm-OP an, die ich zügig hinter mich bringe. Ich werde in die
Notaufnahme gerufen. Ein Kind hat sich beim Sturz von einer Schaukel so fest auf die Zunge
gebissen, dass ich sie jetzt größtenteils wiederannähen muss. Verflucht blutige Angelegenheit.
Das kleine fünfjährige Mädchen übersteht aber die OP mit Vollnarkose hervorragend.
Nach zwei weiteren kleinen Eingriffen will ich gerade meine Schicht beenden, als ein
Autounfall mit drei Unfallopfern hereinkommt. Ich verschiebe meinen Feierabend um eine
anstrengende Fünfstunden-OP. Ich habe den Patienten verloren. Es ist nicht der erste und es wird
nicht der letzte sein, aber diese Tage sind einfach scheiße.
Ich ziehe meine Joggingsachen an, die ich immer in meinem Spint im Krankenhaus habe. Ich
muss raus. Ich kann nicht mit meinem Versagen umgehen. Es hatte ihn schlimm erwischt, aber
vielleicht hätte ich mehr tun können? Die Augen seiner Frau, als ich ihr mitgeteilt habe, dass ihr
Mann auf dem OP-Tisch verstorben ist, werden mich wieder wochenlang verfolgen. Ich renne
los. Ich laufe in den Park. Ich würde so gerne laut schreien, aber hier sind an diesem warmen
Sommerabend eindeutig zu viele Menschen für solche verbalen Ausfälle.
Ich biege um eine Ecke und stoße mit einem anderen Jogger zusammen, wahrscheinlich, weil
mir die Tränen die Sicht vernebelt haben. Ich stürze zu Boden und bleibe einfach liegen. Meine
Hand schmerzt, aber vor allem fehlt mir heute einfach die Kraft wieder aufzustehen.
„Shit, Maja. Ich habe dich nicht gesehen. Geht´s dir gut?“
Ich bin ausgerechnet mit Julian zusammengestoßen.
„Entschuldige. Das war meine Schuld. Ist bei dir alles in Ordnung?“
„Mich haust du nicht so schnell um. Du hast geweint. Was ist passiert?“
„Ich habe einen Patienten verloren“.
„Das tut mir sehr leid. Möchtest du darüber sprechen?“
„Nein. Ich will einfach nur weiterlaufen. Es tut mir leid, Julian“.
„Du hast dich am Handgelenk verletzt, also nein. Du läufst nirgends hin“.
Ich schaue auf meine Hand. Sie schwillt an. Ich hoffe so sehr, dass sie nicht gebrochen ist.
„Scheiße!“
Jetzt schreie ich doch in aller Öffentlichkeit. Er nimmt mich in den Arm und drückt mich an
seine Brust. Das fühlt sich so gut an und ich schluchze los. Er nimmt mein Gesicht in seine
Hände.
„Ich bin mir sicher, du hast alles versucht“.
„Vielleicht habe ich es nur trotzdem verbockt“.
„Denkst du das denn?“
„Ich weiß nicht“.
„Wenn du den Verlauf der OP noch einmal im Kopf durchgehst, gab es da etwas, das du im
Nachhinein anders gemacht hättest?“
Ich denke nach und schaue ihm dabei tief in seine braunen Augen. Nach einer guten Minute
schüttle ich den Kopf.
„Du bist nur ein Mensch, Maja. Wie viele Menschenleben hast du schon gerettet?“
Ich weiche seinem Blick aus.
„Maja. Ich möchte eine Antwort“.
„Die kann ich dir nicht geben“.
„Warum?“
„Es waren zu viele. Ich habe nicht mitgezählt“.
„Und wie viele hast du verloren?“
„Fünf“.
„Du bist eine Heldin. Du hast so vielen Menschen das Leben gerettet“.
„Das hilft meinem Patienten auch nicht mehr weiter“.
„Okay. Scheißtag. Das verstehe ich“.
„Ja“.
„Darf ich dich ins Krankenhaus begleiten?“
„Nein. Das ist nicht nötig“.
„Doch ist es“.
„Okay“.
Er umarmt mich um die Hüfte und wir laufen zurück zur Klinik. Ein weiteres Mal
Notaufnahme spare ich mir. Ich gehe direkt zum Röntgen.
„Hi Patricia. Hast du gerade Kapazität für eine Röntgenaufnahme vom Handgelenk?“
„Oh nein. Wie siehst du denn aus? Was ist passiert, Maja?“
„Sturz beim Joggen“.
„Komm schnell rein. Dauert ja nicht lange“.
Julian wartet draußen. Ich positioniere mein Handgelenk und Patricia macht die Aufnahmen.
Ich gehe an den PC um mir die Bilder anzusehen. Mein Handgelenk ist glücklicherweise nicht
gebrochen.
„Und?“
Patricia steht hinter mir.
„Verstaucht. Kannst du mir kurz einen Kompressionsverband anlegen?“
„Klar. Ich komme gleich zu dir, aber erst einmal bringe ich dir etwas zum Kühlen“.
„Ich danke dir“.
„Zwanzig Minuten später stehe ich vor meinem Chefarzt“.
„Frau Dr. Hörting, was machen Sie für Sachen? Melden Sie sich, wenn das Gelenk wieder
belastbar ist“.
„Mache ich, Herr Dr. Miller. Danke für Ihr Verständnis“.
„Sie hatten einen absoluten Horrortag. Gehen Sie nach Hause und erholen Sie sich.
Hochlagern und Kühlen“.
Ich lächle kurz gespielt dankbar, wobei ich zugeben muss, dass ich ihn so fürsorglich gar nicht
kenne. Ich gehe ins Foyer und treffe dort auf Julian.
„Darf ich dich heimfahren?“
„Ja. Danke“.
„Ich habe mit mehr Widerstand gerechnet“.
„Dazu fehlt mir heute die Kraft“.
„Warum bist du gestern nicht gekommen?“
„Das mit uns hat keine Zukunft“.
„Erklär es mir bitte, Maja“.
„Ich will Exklusivrechte an einem Mann“.
„Dich stört meine Vergangenheit?“
„Mehr die Gegenwart“.
„Was ist damit?“
„Du fährst mehrgleisig“.
„Wie kommst du darauf?“
„Soll das ein Witz sein?“
„Warum?“
„Carina ist meine beste Freundin“.
„Meinst du, weil ich den Vertrag mit ihr noch nicht gelöst habe?“
„Ja“.
„Den anderen beiden habe ich es bereits mitgeteilt. Schon an dem Tag, als wir mit deinen
Eltern gegessen haben. Das mit Carina hat verschiedene Gründe“.
„Ich höre?“
„Ich lüge nicht. Grundsätzlich. Ich wollte zuerst mit dir sprechen. Sie wird erfahren, dass wir
zwei zusammen sind. Ich weiß nicht, wie sie das auffasst. Außerdem komme ich mir mies vor,
jemanden abzuschießen, der sich in meiner Obhut verletzt hat“.
„Aber sie hätte es auf dem Vertrag ergänzen müssen“.
„Da sind wir uns alle einig. Das ändert aber jetzt nichts mehr“.
„Machst du dir Vorwürfe?“
„Ja. Natürlich“.
„Dann verstehst du doch, wie es mir geht“.
Er nimmt mich in den Arm, zieht mich fest an sich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Du hast es den anderen schon nach dem Essen mit meinen Eltern erzählt?“
„Ja. Bei mir hat sich etwas verändert. Schon als ich dich bei meinem ersten Vorabtreffen mit
Carina an dem Tisch gesehen habe. Ich habe einfach gespürt, dass ich dich will. Ich habe Carina
nicht deswegen nach dir befragt, weil ich wissen wollte, ob sie dich kennt, denn dass du ihr
Sicherheitsanker warst, da war ich mir fast hunderprozentig sicher. Ich wollte einfach wissen,
wer du bist“.
„Aber du hast so etwas doch verboten“.
„Ja, aber daran halten sich die wenigsten, was ich auch irgendwie verstehe.